Die Geschichte von den sieben Balkenköpfen

In der Sprache der Zimmerleute ist ein „Balkenkopf“ nichts als das Ende eines Balkens. Vor sieben Jahren gab es in Dachtel am steilen Hang ein altes Haus zu kaufen. Die Kellerdecke, oben säuberlich mit Linoleum belegt, bot unterwärts ein Bild der Verwüstung. Die dunklen, angemoderten Balken sahen aus wie die Wurzeln eines Baumes. Der etwas gruselige Eindruck des Lebendigen wurde hervorgerufen durch das netzartige Pilzmyzel und die abgefaulten bizarren Enden zur feuchten Bergseite hin. Die Vorbesitzer hatten zur Einebnung des abschüssigen Gartens bis über den Sockel Erde angefüllt. Das war ein idealer Nährboden für die phantastischsten Holzzersetzungspilze, die über die Jahre das Schwellenholz zu krümeligem Kompost und die Enden der eichenen Deckenbalken zu bizarren Köpfen verwandelten, was schließlich den Kaufpreis des Hauses auf den Grundstückswert reduzierte. Wir zogen in den noch intakten Rest des Hauses ein und machten dem Spuk ein Ende, indem wir die Balken unterstützten, den Gartenboden abgruben, sowie für Luft und Wärme sorgten. In wenigen Monaten war alles trocken. Die hangseitige hölzerne Kellerdecke und der Sockel wurden dann nach und nach durch Beton und Ziegel ersetzt.

Als die Balken losgelöst von der Decke dalagen, zeigte jeder von ihnen seinen „persönlichen“ Charakter und wir brachten es nicht übers Herz, sie einfach auf den Müll zu fahren. So blieben sie aufrechtstehend, teils im Freien, teils unter Dach und warteten auf ihre Erlösung, die dann im siebten Jahr nach unserem Einzug langsam realisiert wurde. Sieben Balken trugen die Decke und so sind es sieben Individuen geworden, dem Charakter ihres Urzustandes abgelauscht, verwandelt und zu neuem Leben erweckt. Dem Moder entrissen, den Kopf gelüftet, gebürstet, besägt, beklopf, beschnitzt und mit steinernen Herzen bestückt, führen sie nun ein neues aufrechtes Dasein.

Die Formen sind einerseits inspiriert vom Spuk des modernden Hauses, anderseits ist durch das steinerne Implantat ein samenhaft zukünftiger Impuls angedeutet, von dem der Eichbaum noch nichts ahnte, als er vor über hundert Jahren noch im nahen Wald grünte, als aus seinen Zweigen der Kukuk rief und die alten und jungen Dachteler ihre Geldbeutel schüttelten, wenn es das erstemal im Jahr war. Jedenfalls soll in der hier angedeuteten Eichbaumgeschichte mit diesen Figuren ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.

Die Titel sind den sieben Wochentagen entliehen, in denen Gott die Welt erschaffen hat und nach denen wir bis heute usere Fort- und Rückschritte bemessen. Zu dem ruppig betagten Äußeren traten Einschnitte, Kerben, Durchbrüche, in denen das teils noch Unversehrte des Holzes, aber auch vorher nicht geahnte, morsche Adern ans Licht kamen. Es galt das Material so zu schneiden, daß das alte, rauh Geschundene mit dem neu Geformten ins Gespräch kommt. (Klaus Korpiun, 1999)

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